FPÖ-Bundesparteivorsitzender Hofer spricht im Interview mit der Tageszeitung Vesti über die erfolgreiche serbische Impfstrategie und erreicht damit die Zielgruppe Serbinnen und Serben in Österreich emotional, punktgenau und ohne Streuverluste.
Herr Hofer, Sie haben kürzlich über die Impfstrategie in Serbien gesprochen. Wie beurteilen Sie die serbische Regierung in der Frage der Beschaffung der Impfungen?
Die Regierung in Serbien hat offenbar besser gearbeitet als jene in Österreich, weil sich die Menschen dort sogar aussuchen können, mit welchem Impfstoff sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen möchten. Ich habe auch noch keine Berichte über Engpässe bei Impfstoffen in Serbien gehört. In Österreich ist die Sache anders: Unsere Regierung hat sich – wie die anderen Mitgliedsländer auch – darauf verlassen, dass die EU die Beschaffung und die Verteilung der Impfstoffe gut organisiert. Das ist offenbar nicht gelungen und die Länder stehen vor dem Problem, dass sie Menschen impfen wollen, aber nicht die versprochenen Liefermengen an Impfstoffen haben.
Hätte Serbien warten sollen auf Impfungen über das Covax-Programm der EU?
Ich denke, Serbien hat alles richtig oder zumindest vieles besser gemacht. Die EU hat, wie bei den Themen Finanzen und Zuwanderung, nun auch in der Corona-Krise bewiesen, dass sie so große Herausforderungen nicht bewältigen kann. Wenn nicht die einzelnen Länder am Beginn der Corona-Pandemie eigene Maßnahmen gesetzt hätten, wäre Europa wohl von der ersten Welle schwerwiegender getroffen worden.
Nachdem am Anfang der Pandemie der Balkan von der EU im Stich gelassen wurde was die medizinische Schutzausrüstung betrifft, war es, Ihrer Meinung nach richtig sich auch außerhalb der EU umzusehen und Impfungen aus Russland und China zu beschaffen?
Die Verantwortung einer Regierung ist es, ihre Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu schützen. Das Rennen um Schutzausrüstung hat so groteske Züge angenommen, dass innerhalb Europas Lieferungen an andere Länder zurückgehalten wurden – und das, wo doch der freie Warenverkehr einer der Grundpfeiler der EU ist. Das Coronavirus ist ein weltweites Problem – wenn es Länder außerhalb der EU besser machen und alternative Wege finden, spricht nichts dagegen, sich auch dort Anleihen zu nehmen oder im Bereich der Impfstoffe mit Firmen in diesen Ländern zusammen zu arbeiten.
Nachdem Österreich wegen Lieferengpässen seine Impfstrategie nicht zügig durchziehen kann waren Sie dafür, dass Österreich wie Ungarn und Serbien, auch russische und chinesische Impfungen prüfen und ankaufen sollte?
Das war meine Idee – speziell in Bezug auf Israel. Dieses Land hat ausreichend Impfstoffe, die sie noch dazu aus der EU geliefert bekommen hat. Mein Vorschlag war, dass wir mit Israel in Verhandlung treten, um schneller an Impfstoffe zu kommen. Israel hätte die Impfdosen natürlich wieder bekommen, sobald auch Österreich ausreichend Impfstoffe lagernd hat. Man sollte auch ein Auge auf den in Russland entwickelten Impfstoff „Sputnik“ werfen und diesen prüfen. Ich bin dagegen, aufgrund geopolitischer Spannungen eine mögliche Lösung in der Coronakrise nicht in Betracht zu ziehen.
Was hat uns die Pandemie gelehrt?
Die Pandemie hat uns gelehrt, dass Unmögliches plötzlich möglich wird. Niemand hätte es vor zwei Jahren als realistisch eingeschätzt, dass Kaffeehäuser monatelang zusperren müssen und dass man zwei Meter von Mitmenschen Abstand halten muss. Wir müssen jedenfalls daraus lernen und die Kapazitäten im Gesundheitsbereich aufstocken. In Österreich sollte dies mit einer Reaktivierung der Heeresspitäler erreicht werden. Und Österreich muss danach trachten, unabhängiger zu werden – das trifft auf den Energiebereich genauso zu wie die Lebensmittelversorgung.
In Österreich kämpft man mit Lockdowns gegen die Pandemie, in Serbien geht das Leben fast normal weiter, ohne einen großen Unterschied bei den Infektionszahlen, aber dafür mit besseren Wirtschaftszahlen zu Österreich. Ist der österreichische Weg dennoch der bessere?
Das sehen wir nicht so und plädieren dafür seit Monaten für ein Ende des Lockdowns und ein Aufrechterhalten des öffentlichen Lebens unter bestimmten Regeln. Wir sehen seit Wochen, dass die Infektionszahlen trotz Lockdowns nicht so weit nach unten gehen, wie es sich die Regierung erhofft. Das ist für mich ein Beweis dafür, dass der Lockdown gesundheitlich nichts nützt, dafür aber großen Schaden in der Wirtschaft und bei den Menschen anrichtet. Wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit und stehen vor der Situation, dass es 2021 und 2022 zu einer massiven Pleitewelle kommen wird.
Jetzt wurden auch Demonstrationen von Lockdown Gegnern verboten, ist das schädlich für die Demokratie?
Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, weil das Demonstrations- und Kundgebungsrecht in der Verfassung festgeschrieben ist. Dieses Recht auf politischen Druck einzuschränken, hat es in dieser Form in unserem Land seit dem Ende des 2. Weltkrieges nicht mehr gegeben. Das macht mir große Sorgen und ich erwarte mir hier nun endlich auch ein Machtwort des Bundespräsidenten, der die Schönheit und Eleganz der Bundesverfassung gerne betont und lobt – nun ist es an der Zeit, dass er sie auch verteidigt.
Hier gibts das Originalinterview zum Nachlesen: