NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger spricht im Nedeljnik-Sommerinterview über 10 Jahre Neos, den Krieg in der Ukraine, die EU-Integration der Westbalkanstaaten und die Serbinnen und Serben in Österreich.
Serbische Version, erschienen in der Printausgabe vom 14.07.2022: Beate Meinl-Reisinger, Nedeljnik, 14.07.2022
Deutschsprachige Originalversion:
Nedeljnik: NEOS feiert ein Jahrzehnt seines Bestehens. Sie sind praktisch seit den ersten Tagen in der Partei. Was ist der größte Beitrag von NEOS in der österreichischen Politik und worauf sind Sie am meisten stolz?
Beate Meinl-Reisinger: Wir haben maßgeblich für mehr Transparenz in Österreich gesorgt. Vieles würde ohne uns NEOS weiterhin unter den Teppich gekehrt werden. Wir haben viel aufgedeckt und dafür gesorgt, dass die Menschen nicht mehr akzeptieren, wie sich Vertreter der alten Parteien am Steuertopf bedienen. Auch bei vielen Themen wie Bildung und Generationengerechtigkeit sind wir seit 10 Jahren Impulsgeber.
Wie sehen Sie die Zukunft der liberalen politischen Kräfte in Europa?
Die liberalen Kräfte in Europa sind ein unverzichtbarer Anteil liberaler Demokratien. Nur mit einer starken liberalen Mitte, die sich für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat einsetzt, ist ein starkes Europa gesichert.
Obwohl Österreich gemäß der Verfassung ein neutrales Land ist, ist NEOS der Ansicht, dass das Land im Falle des Krieges in der Ukraine nicht neutral sein kann und dass eine stärkere Unterstützung der Ukraine erforderlich ist. Wie stellen Sie sich diese Unterstützung vor, was würde das alles bedeuten?
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine betrifft uns alle in Europa. Die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen gerade Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in Europa. Und daher darf es in dieser Frage keine Neutralität geben. Die Neutralität in Österreich schützt nicht. Schutz gibt es nur im Verbund mit anderen Staaten – Österreich und Europa brauchen endlich eine eigenständige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das ist auch innerhalb der Neutralität möglich.
Warum halten Sie die Gründung einer europäischen Armee für erforderlich? Wie würde sich diese Armee organisieren und wie realistisch ist die Gründung zum gegenwärtigen Zeitpunkt?
Europa muss souverän, handlungsfähig und unabhängig sein. Um das Europa von morgen zu bauen, müssen wir in Sicherheitsfragen unabhängig sein. Das gilt zum Beispiel für Energie von Russland und der Infrastruktur und Lieferketten von China gleichermaßen.
Sie haben gemeinsam mit der Mehrheit der Fraktionen gefordert, dass das österreichische Parlament den Gedenktag an den Völkermord von Srebrenica auch in Österreich begeht. Warum vertreten Sie eine solche Haltung ein?
Die Verbrechen in Srebrenica wurden sowohl vom Internationalen Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien, als auch vom Internationalen Gerichtshof als Völkermord anerkannt. Um eine friedliche Zukunft und ein gedeihliches Miteinander zu gewährleisten, ist es notwendig, dass sich politische Vertreterinnen und Vertreter mit den dunkelsten Kapiteln der Geschichte auseinandersetzen und die Vergangenheit anerkennen. Da sich solch fürchterliche Verbrechen niemals mehr wiederholen dürfen, fordern wir von der Bundesregierung, sich weiterhin aktiv für das Gedenken an den Völkermord in Srebrenica einzusetzen. Auch Österreich muss zu seiner eigenen dunklen Geschichte stehen. Nur so kann man den Blick von der Vergangenheit in die Zukunft wenden.
Sie sind Befürworterin und Unterstützerin der EU-Integration der Westbalkanstaaten. Wie kommentieren Sie die Tatsache, dass die Ukraine und Moldawien den Kandidatenstatus im beschleunigten Verfahren erhalten haben, im Gegensatz zu Nordmazedonien und Albanien, die auch nach dem letzten Gipfel keine Termine für den Beginn der Verhandlungen erhalten haben? Welche Botschaft sendet die EU an den Westbalkan?
Der Kandidatenstatus für die Ukraine und die Republik Moldau gibt tausenden von Menschen, die gerade für unsere europäischen Werte kämpfen, Zuversicht und Kraft. Klar ist aber, dass für alle Staaten die gleichen Regeln gelten müssen, um Mitglied in der EU zu werden. Den schleppenden Fortschritt beim Beitritt der Westbalkanstaaten finden wir sehr bedenklich. Wir müssen als Europäische Union zeigen, dass wir es ernst meinen und Fortschritte möglich machen. Die Union wurde als Versprechen an alle Europäerinnen und Europäer gegründet. Es ist Zeit, dieses Versprechen einzulösen.
Wie ist Ihre Kommunikation mit den Serben in Österreich, sehen Sie sie als bedeutenden gesellschaftlichen Faktor?
Seit den 60er Jahren kommen Menschen aus Serbien nach Österreich, viele sind also bereits seit mehreren Generationen hier, um zu arbeiten und sind großteils integriert. Es ist also nicht leicht von „Serben in Österreich“ als Gruppe zu kommunizieren. In Summe sind sie natürlich ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor, ich nehme sie aber nicht als einen Block wahr, in dem alle dieselben Interessen haben.
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