Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadtler spricht im exklusiven Neujahrsinterview mit dem serbischen Newsportal republika.rs über die Erwartungen an Bundeskanzler Nehammer, verlorenes Vertrauen, die Covid-Pandemie, österreichische Unternehmen in Serbien, die Kosovo-Frage, den EU-Beitritt Serbiens und wie sie die serbische Küche findet.
HIER geht’s zum Interview auf republika.rs und nachstehend die deutschsprachige Übersetzung:
republika.rs: Kürzlich übernahm der neue Bundeskanzler Karl Nehammer das Regierungs-Ruder. Was sind die Erwartungen an ihn und was sind seine ersten Aufgaben im Jahr 2022?
Karoline Edtstadler: Karl Nehammer hat wie jeder Bundeskanzler seine eigene Handschrift. Die Herausforderungen in Europa sind die gleichen geblieben: Die Bewältigung der Pandemie steht an erster Stelle, aber auch Migration, Digitalisierung und die Erweiterung am Westbalkan sind nur einige von vielen wichtigen Themen, in denen wir dringend vorankommen müssen.
Wie sehr hat die Krise mit dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz Probleme in der Regierurngsarbeit mit dem Koalitionspartner hinterlassen und was ist die größte Herausforderung die hinterlassen wurden?
Wir arbeiten sehr gut mit unserem Koalitionspartner zusammen. Es gilt jetzt unser umfassendes Regierungsprogramm weiter abzuarbeiten. Aber natürlich bringt ein neuer Regierungschef auch eine Umstellung mit sich.
Was wird konkret unternommen, um dass Vertrauen der Bürger wiederherzustellen, die durch die Beteiligung ehemaliger ranghoher Regierungsmitglieder an den zahlreichen Skandalen, enttäuscht wurden?
Durch harte, inhaltliche Arbeit wie bisher. Jede Demokratie muss ständig an sich arbeiten und sich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger erarbeiten.
Österreich gehört zu jenen Ländern, die zuletzt die strengsten epidemiologischen Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus eingeführt haben. Für wie berechtigte halten Sie diese Maßnahmen -auch jetzt wo diese über die Feiertage abgeschwächt wurden – und wie reagieren Sie auf Kritik, dass dadurch einige grundlegende Menschenrechte gefährdet sind?
Die neuen Entwicklungen in der Pandemie haben leider wieder weitreichende Maßnahmen notwendig gemacht. Wir haben uns darüber hinaus schweren Herzens dazu entschieden, mit Februar eine Impfpflicht einzuführen. Die Entwicklungen zeigen, dass eine höhere Impfquote notwendig ist.
Was sind die Pläne der Regierung zur weiteren Bekämpfung der Pandemie, insbesondere unter dem Hintergrund, dass die Omikron-Mutante in der ganzen Welt Besorgnis erregt?
Die österreichische Bundesregierung hat eine neue gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination GECKO einberufen. Die Expertinnen und Experten und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler evaluieren dort laufend die aktuelle Situation und schlagen der Bundesregierung Maßnahmen vor. Im Kampf gegen Omikron setzten wir vor allem auf die dritte Impfung. Darüber hinaus haben wir erst kürzlich unsere Maßnahmen verschärft.
Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen Österreich und Serbien, und gibt es Pläne der Bundesregierung, diese in irgendeiner Weise zu verbessern?
Die Beziehungen zwischen Österreich und Serbien sind exzellent, sowohl in politischer, als auch auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene, wobei unsere beiden Staaten vor allem die Menschen verbinden. Österreich ist einer der größten Investoren in Serbien, rund 400 österreichische Niederlassungen in Serbien schaffen 22.000 Jobs.
Wie sehen Sie als EU-Expertin Serbiens Weg zur Mitgliedschaft?
In erster Linie ist hier konsequente, harte Arbeit an der Umsetzung des Rechtsbestands der EU, des „Acquis“, nötig. Dieser Acquis ist sehr umfangreich, das braucht also auch Zeit und eine gewisse Hartnäckigkeit und Geduld. Erfreulicherweise konnte vergangene Woche ein neuer „Cluster“ von Kapiteln in den Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der EU eröffnet werden, damit sind 2/3 der Kapitel eröffnet: Serbien ist also auf dem richtigen Weg.
Was konkret sollte Serbien tun, um den Beitrittsprozess zu beschleunigen?
Ganz besonders wichtig ist es, die Reformen in Bereichen wie der Stärkung der demokratischen Institutionen, der Unabhängigkeit der Justiz sowie der Meinungs- und Medienfreiheit energisch fortzusetzen und zu beschleunigen. Letztlich sind es Fortschritte in diesen Bereichen, die das Tempo der Beitrittsverhandlungen bestimmen.
Wo steht in diesem Prozess die Kosovo-Statusfrage?
Der Verhandlungsrahmen für die Beitrittsverhandlungen der EU mit Serbien ist hier eindeutig: Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina ist eine Voraussetzung für einen EU Beitritt, das gilt für Serbien ebenso wie für Kosovo. Beide Seiten haben daher ein Interesse daran, sich im Dialog zum Zweck dieser Normalisierung konstruktiv zu zeigen. In diesem Dialog nimmt die EU als Vermittlerin eine wichtige Funktion ein und der EU Sonderbeauftragte Miroslav Lajcak hat bei seinen diesbezüglichen Bemühungen die volle Unterstützung Österreichs.
Gibt es in der EU einen Platz für Serbien und wenn, warum?
Die Mission der EU ist die Einigung unseres Kontinents, die EU hat Platz für alle europäischen Staaten, die sich zu den Werten und Standards der Union bekennen. Ohne Serbien und die übrigen Westbalkanländer ist die europäische Einigung nicht vollständig. Schaut man auf eine Landkarte, so sieht man, dass die Westbalkanstaaten ja schon jetzt mitten in der EU liegen.
Wann könnte unser Land Ihrer Meinung nach mit dem EU-Beitritt rechnen?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass künstliche Zeitlimits unproduktiv sind und will daher nicht über mögliche Jahreszahlen spekulieren. Letztlich hängt das Tempo des Beitrittsverfahrens vor allem von Serbien ab. Je glaubwürdiger und greifbarer die Reformarbeit, desto eher wird der Beitritt erfolgen können.
Entscheidend wird sein, dass alle maßgebenden politischen Kräfte in Serbien an einem Strang ziehen, um die Reformen zügig voranzutreiben. Dass hier Bereiche wie Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit besonders wichtig sind, möchte ich nochmals betonen. Wie lange auch immer dieser Prozess dauern mag, Serbien wird jedenfalls auf Österreichs Unterstützung zählen können.
Inwiefern bremst die Politik der Zusammenarbeit zwischen Serbien und China und Russland den EU-Beitritt?
Jeder Staat kann seine Beziehungen zu anderen Staaten frei gestalten. Vor einem EU Beitritt wird es aber unerlässlich sein, dass Serbien auch alle außenpolitischen Positionen der EU mitträgt, um sie dann als Mitglied gemeinsam mit den anderen EU Staaten weiter zu gestalten.
Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Hinwendung unseres Landes zu China und Russland angesichts der Haltung der EU gegenüber diesen Mächten?
Es steht mir nicht zu, die Beziehungen Serbiens zu anderen Staaten zu beurteilen. Ich bin überzeugt davon, dass die EU letztlich für Serbien und seine Menschen der beste denkbare Partner ist und dass Serbiens Zukunft in der EU liegt, oder anders gesagt: dass die EU und Serbien eine gemeinsame Zukunft haben.
Waren Sie schon in Belgrad, wenn nicht, planen Sie einen Besuch? Wenn ja, was haben Sie in unserem Land besucht und haben Sie vielleicht eine unserer traditionellen Speisen oder “Rakija” probiert?
Ich war einmal in Belgrad, dabei konnte ich unter anderem den „Hram Sv. Save“, der sehr schön und beindruckend ist, besichtigen. Ich finde die serbische Küche sehr gut. Bei meinem Besuch durften natürlich eine Portion „Cevape“ oder „Sarma“ nicht fehlen. „Rakija“ habe ich noch nie probiert, das werde ich beim nächsten Mal auf jeden Fall nachholen.
Was ist Ihre erste Assoziation mit Serbien?
Die warmherzige Gastfreundschaft, gutes Essen und Sport. Serbien ist ein sehr gastfreundliches und emotionsvolles Land. Aber auch sportlich ist Serbien immer vorne dabei, wenn ich mir zum Beispiel Tennis oder Basketball anschaue.
Was würden Sie Österreich im neuen Jahr wünschen und was Serbien?
Ich wünsche uns allen, dass wir so schnell wie möglich aus der Pandemie herauskommen und wieder mehr Normalität leben können.
Danke für das Gespräch!